Neue Fruchtbringende Gesellschaft
Alles zu Nutzen - allen zu Nutzen!

Die Fruchtbringende Gesellschaft

Eine virtuelle Ausstellung

Gründung der Fruchtbringenden Gesellschaft

Wappenbild der Fruchtbringenden Gesellschaft. In der Mitte das Porträt Ludwigs I. von Anhalt-Köthen, Gründer der fruchtbringenden Gesellschaft.

Am 24. August 1617 wurde in Weimar auf Initiative der Fürsten Ludwig I. von Anhalt-Köthen und Wilhelm IV. von Sachsen-Weimar die Fruchtbringende Gesellschaft gegründet. Sie ist die erste deutsche Sprachakademie, die sich nach dem Vorbild der italienischen Sprachgesellschaft, der Accademia della Crusca, der Pflege der Sprache widmete. Die Spracharbeit im Sinne der Erforschung, Förderung und Normierung einer deutschen Hochsprache sollte dem Ideal der Eintracht dienen und der Muttersprache zu einer gleichberechtigten Stellung gegenüber anderen europäischen Sprachen verhelfen. Sie verfolgte weiterhin das Ziel, durch die Förderung von Tugend und deutscher Sprache ein einheitliches deutsches Nationalbewusstsein zu schaffen.

Vorbild: Die Accademia della Crusca

Scheffel von Ludwig I. in der Accademia della Crusca „L‘ Acceso“ (Der Entzündete) genannt

Vorbild für die Fruchtbringende Gesellschaft war die Accademia della Crusca (crusca = Kleie, die vom Mehl gesondert werden sollen), die 1582 in Florenz gegründet worden war. Fürst Ludwig I. wurde im Juli 1600 ihr erstes deutsches Mitglied. Die Accademia bestand aus Gelehrten, die sich als crusconi „Kleieflocken“ bezeichneten. Ihr Ziel war es, nach dem Motto „die Spreu vom Weizen trennen“ (Mt 3,12 und Lk 3,17), die italienische Sprache zu fördern. Als Symbol der Accademia wurde eine Mehlmühle gewählt, wobei die Reinheit des Mehles eine Metapher für die Reinheit der Sprache war. Jedes Mitglied der Gesellschaft hatte einen Beinamen und ein Motto, das etwas mit Kleie (italienisch: crusca) zu tun hat und musste der Accademia sein Wappen in Form eines Scheffels schenken.

Exkurs: Begriff und Geschichte der Akademien

Der Name „Akademie“ geht zurück auf Platons Gründung seiner philosophischen Schule, die er um 385 v. Chr. in Athen in einem nach dem athenischen Lokalheros Akademos benannten Hain ansiedelte. Sie erhielt den Namen Akadémeia. Die Schüler und Mitglieder dieser philosophischen Studien gewidmeten Vereinigung nannten sich in der Folgezeit Akademiakoí. Cicero (z. B. Tusc. 2,3,9) bezeichnet mit Academia (Academici) die Vertreter der platonischen Philosophie.

Ludwig I. von Anhalt-Köthen

Ludwig I. von Anhalt-Köthen, Kupferstich von A. Römer

Das Vorbild der Accademia della Crusca hat Fürst Ludwig I. so begeistert, dass er zurück in Deutschland am 24. August 1617 in Weimar die Fruchtbringende Gesellschaft mit weiteren fünf Mitgliedern, u. a. mit Wilhelm IV. von Sachsen-Weimar, gründete. Er wurde deren erstes Oberhaupt und Köthen deren Sitz. Noch ganz im Stil der Accademia della Crusca wählte er als Emblem "Ein wol ausgebacken Weitzen-Brodt in einer Schüssel" und als Gesellschaftsnamen "Der Nährende". Als einziges Mitglied benutzte Fürst Ludwig einen lateinischen Wahlspruch: Vita mihi Christus, mors lucrum („Christus ist mein Leben, Tod ist mein Gewinn“) nach Phil. 1,21.

Die Fruchtbringende Gesellschaft: Der Teutsche Palmenbaum

Die Gründungsgelegenheit in Weimar ergab sich während des Begräbnisses der Schwester Ludwigs I., Dorothea Maria von Anhalt, die nach einem Reitunfall verstorben war. Der früheste Chronist der Gesellschaft, Karl Gustav von Hille, schreibt über die Gründung: „Wolermeldte Fürstliche und Adeliche Zusammenkunft hatte in vorwesender Traurigkeit/ etlicher Massen besänftiget/ die Erzehlung von den Italiänischen Gesellschaften/ welche zu Anreitzung der löblichen Jugend/ zu allerley hohen Tugenden/ Erhaltung gutes Vertrauens/ Erbauung wolanständiger Sitten/ und denn absonderlich zu nutzlicher Ausübung jedes Volkes Landsprache/ rühmlich aufgerichtet werden/ und fast in allen Stätten durch ganz Italien zu finden sind. Diesem nach ist von dem anwesenden hochfürstl. Personen einsinnig geschlossen worden/ dergleichen löbliche Gesellschaft zu beginnen.“ (Teutsche Palmbaum, S. 8)

Die Ziele der Gesellschaft

Ludwig I. von Anhalt-Köthen, Gesellschaftsbuch der Fruchtbringenden Gesellschaft (1646)

Neben der Etablierung und Erhaltung der deutschen Sprache und Literatur fokussierte die Fruchtbringende Gesellschaft auch ein Gesellschaftsmodell, nach dem theoretisch jeder, der „tugendhaft und förderlich“ sein wollte, sich dem Orden anschließen konnte. Damit sollten die politischen und religiösen Spannungen der Zeit, die im Dreißigjährigen Krieg ihren schlimmsten Ausdruck fanden, überwunden und ein deutsches Nationalbewusstsein geschaffen werden. Diesen Gedanken drückt auch das Motto der Gesellschaft: „Alles zu nutzen!“ aus, das durch das Gesellschaftsemblem, den Palmbaum, symbolisiert wurde. Der Palmbaum stand im Barock für die nützlichste Pflanze überhaupt, da sich sämtliche Teile der Palme nutzen ließen.

Rituale und Gepflogenheiten

Peter Isselburg, Imprese Herzog Wilhelms IV. von Sachsen-Weimar („Der Schmackhafte“), um 1622

Um häufige Rangstreitigkeiten zu vermeiden und soziale Unterschiede bei der Akademiearbeit auszublenden, sollten die "Gesellen" in Gesprächen, Briefen und Publikationen nur ihre Gesellschaftsnamen benutzen. Die Gründungsmitglieder stellten sich nach ihrem Lebensalter auf. Bei Gesellschaftstreffen, führte der älteste Anwesende (hier: Fürst Ludwig I., „Der Nährende“) den Vorsitz.
Die Grafik (eine Imprese Herzog Wilhelms IV. von Sachsen-Weimar, in der Fruchtbringenden Gesellschaft "Der Schmackhafte" genannt) zeigt ein solches Gesellschftstreffen. Am rechten Kopfende der Tafel sitzt das Gesellschaftsoberhaupt, Fürst Ludwig I. von Anhalt-Köthen, zu seiner Rechten Herzog Wilhelm IV.

Eine Imprese ist ein emblemartiges, persönliches Sinnbild mit einem Wahlspruch, ergänzend zum Familienwappen.

Frauen: Die Tugendliche Gesellschaft

Frauen wurden nicht als Mitglieder in die Fruchtbringende Gesellschaft aufgenommen. In Briefen wurden sie mit der weiblichen Form des Gesellschaftsnamens ihres Mannes bezeichnet, wie z. B. „die Befreiende“: die komponierende und schriftstellernde Herzogin Sophia Elisabeth von Braunschweig-Wolfenbüttel als Gemahlin Herzog Augusts d. J. (FG 227, „Der Befreiende“, 1634).

Exkurs: Die Schrecken des Krieges als historischer Hintergrund

Das Gewicht der Bemühungen der Fruchtbringenden Gesellschaft um die Schaffung sprachlicher und politischer Einheit wie der Förderung der Tugend und wohltätigen Verhaltens müssen besonders vor dem Hintergrund des konfessionell und politisch motivierten Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) gesehen werden, der unendliches Leid über die Bevölkerung brachte. Zwischen 1618 und 1648 wurde die Bevölkerung Deutschlands von 17 auf 8 Millionen Menschen dezimiert.

Andreas Gryphius: Thränen des Vaterlandes (1636)

Andreas Gryphius, Kupferstich von Philipp Kilian

Die Leiden des Krieges beschreibt auch der berühmte Dicher Andreas Gryphius (1616-1664), der 1662 unter dem Gesellschaftsnamen "Der Unsterbliche" (FG 788) in die Fruchtbringende Gesellschaft aufgenommen worden ist:

WIr sind doch nunmehr gantz / ja mehr denn gantz verheeret! / Der frechen Völcker Schaar / die rasende Posaun /  Das vom Blutt fette Schwerdt / die donnernde Carthaun / Hat aller Schweiß / und Fleiß / und Vorrath auffgezehret. / Die Türme stehn in Glutt / die Kirch ist umgekehret. / Das Rathauß ligt im Grauß / die Starcken sind zerhaun / Die Jungfern sind geschänd’t/ und wo wir hin nur schaun / Ist Feuer / Pest / und Tod / der Hertz und Geist durchfähret. / Hir durch die Schantz und Stadt /rinnt allzeit frisches Blutt. / Dreymal sind schon sechs Jahr / als unser Ströme Flutt / Von Leichen fast verstopfft / sich langsam fort gedrungen. / Doch schweig ich noch von dem / was ärger als der Tod / Was grimmer denn die Pest / und Glutt und Hungersnoth / Das auch der Seelen Schatz / so vilen abgezwungen.

Köthener Epoche der Fruchtbringenden Gesellschaft (1617-1650)

Nach den Anfängen stieg die Mitgliederzahl der Fruchtbringenden Gesellschaft von 1622 bis 1629 von 52 auf 200 Personen an. Bis 1629 änderten sich ihre Sozialstruktur und ihre politischen und konfessionellen (lutherischen) Affiliationen kaum. Die Köthener Epoche stellt aufgrund der Leitung der Gesellschaft durch Ludwig I. die bedeutendste Zeit der Fruchtbringenden Gesellschaft dar. Zeit seines Lebens versuchte Ludwig I., sein Fürstentum Anhalt-Köthen nach italienischem Vorbild wirtschaftlich und politisch zu reformieren sowie den Hof in ein „kleines Florenz“ zu verwandeln.

Weimarer Epoche (1651–1662)

Nach 1650 wurde die Gesellschaft zunehmend wie ein fürstlicher oder ritterlicher Orden als „Palmorden“ bezeichnet. Weil der gut ein Jahr nach Fürst Ludwigs Tod am 8. 5. 1651 gewählte Nachfolger, Herzog Wilhelm IV. von Sachsen-Weimar, nicht in die Rolle „Des Nährenden“ als Spiritus Rector der Sprachdebatte und der kritischen Arbeit zu schlüpfen vermochte, bürokratisierte sich das Leben der Akademie. Wilhelm überließ den Briefverkehr und den daraus entstehenden Einfluss zunehmend einem „Erzschreinhalter“ (Sekretär und Archivar).

Hallische Epoche (1667–1680) und Niedergang der Gesellschaft

Herzog August von Sachsen-Weißenfels vor seiner halleschen Residenz (Ausschnitt), unbekannter Meister, um 1675

Nach dem Tod Wilhelm IV. von Sachsen-Weimar fiel die Auswahl des Nachfolgers auf den in Halle residierenden Herzog August von Sachsen-Weißenfels (FG 402, „Der Wohlgeratene“, 1643), der das Amt am 15. Juli 1667 annahm. Die Fruchtbringende Gesellschaft hatte ihre beste Zeit hinter sich. Die Ursachen liegen darin, dass mit dem Westfälischen Frieden (1648), der das Miteinander der Konfessionen zu Reichsrecht erklärte, das Interesse an einer Allianz der protestantischen Stände geschwunden war. Das in den ersten Manifesten der Fruchtbringenden Gesellschaft formulierte Ziel, durch die Förderung von Tugend und deutscher Sprache die innere Einheit zu stärken und das zerstrittene Reich zu befrieden, war erreicht.

Transformation der Gesellschaftsidee in die wissenschaftlichen Akademien ab dem 17. Jahrhundert

Porträt von Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716), 1695.

Ab dem 17. Jh. traten in den Gesellschaften und Akademien weniger die Spracharbeit, sondern zunehmend naturwissenschaftliche Themen in den Vordergrund: 1652 wurde die nach Kaiser Leopold I. benannte Leopoldina Academia Naturae Curiosorum (Halle, Erfurt) gegründet. In London entstand 1660 die Royal Society for improving Natural Knowledge, in Paris 1663 die Académie des Inscriptions et Belles Lettres, 1666 die Académie des Sciences.

Unter dem Gesichtspunkt der Einheit der Wissenschaft führte Gottfried Wilhelm Leibniz Geistes -wie Naturwissenschaften 1700 in Berlin in der Kurfürstlich-Brandenburgischen Sozietät der Wissenschaften zusammen. Sie wurde 1711 offiziell als Königlich Preußische Akademie der Wissenschaften eröffnet und zum Vorbild für die weiteren Gründungen in Deutschland. Die heutige Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften ist ihre Nachfolge-Institution. Leibniz Denkschriften hatten auch die praktische Anwendung im Blick, um sowohl die Lebensumstände der Zeitgenossen zu verbessern, als auch die finanzielle Situation der Akademie zu sichern. So erhielt Leibniz vom Kurfürsten das Kalenderprivileg; Erkenntnisse in der Mechanik kamen dem Handwerk und den Mühlenwerken unmittelbar zugute; Forschungsergebnisse der Mineralwissenschaft erfuhren praktische Umsetzung in den Bergwerken; die Zoologie sollte sich unmittelbar in der Tierzucht niederschlagen. Ihr Motto war "Theoria cum praxi".

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